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Handyauswertung

von | 7 Okt,2021

Baumann Brunkhorst Rechtsanwälte

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BtM, WhatsApp, EncroChats und deren Verwertbarkeit:

Können SMS und Messenger-Nachrichten als Beweise vor deutschen Gerichten verwendet werden?

Ja, grundsätzlich können Nachrichten als Beweise vor deutschen Gerichten verwendet werden. Es gibt allerdings Unterschiede zwischen „WhatsApp“-Nachrichten und z.B. „EncroChats“. „WhatsApp“-Nachrichten können fast immerals Beweismittel vor deutschen Gerichten genutzt werden. 

Können WhatsApp-Nachrichten mitgelesen werden?

Nein, WhatsApp selbst kann die Chats der Teilnehmer nicht mitlesen. Das liegt an der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von WhatsApp. Das bedeutet, dass eine Nachricht, sobald sie das Gerät des Absenders verlässt, verschlüsselt wird. Erst auf dem Gerät des Empfängers wird diese Nachricht dann entschlüsselt. Somit liegt die unverschlüsselte Nachricht nur auf dem Gerät des Absenders und dem des Empfängers vor. Aufgrund dieser Tatsache kann WhatsApp auch keine Chats mitlesen, sondern höchstens verschlüsselte Nachrichten empfangen. 

Kann die Polizei meine WhatsApp-Nachrichten lesen?

Ja, unter bestimmten Voraussetzungen kann die Polizei WhatsApp-Nachrichten lesen. Es wird unterschieden zwischen offenem und heimlichem Vorgehen.

Offenes Vorgehen

Bei der offenen Durchsuchung wird bei einer Wohnungsdurchsuchung z.B. das Handy beschlagnahmt, wenn zu vermuten ist, dass sich darauf Beweismittel befinden könnten. In der Regel fragt die Polizei dann nach dem Passwort zum Entsperren. Diese Frage muss man nicht beantworten und sollte man auch nicht. Wenn das Handy Beweismittel (Chats) enthält, wird es so oder so beschlagnahmt. Die Polizei wird dann versuchen, die Speicher des Handys auszulesen oder das Passwort, z.B. via „Brute-Force-Angriff“ oder Produkte der Firma „Cellebrite“, zu knacken. Ob dieses Vorgehen gelingt, ist unsicher und sehr stark vom Handy abhängig, neuere Modelle sind in aller Regel schwieriger zu knacken oder auszulesen als ältere Modelle. IPhones sind grundsätzlicher sicherer als Androidgeräte. Daher empfiehlt es sich, das Passwort nicht herauszugeben. Ergänzend sollte man auf jeden Fall eine Anwältin oder einen Anwalt kontaktieren, um in solchen Situationen bestens beraten zu sein.

Heimliches Vorgehen

Bei dem heimlichen Vorgehen hingegen, greift die Polizei aus der Ferne auf das Gerät zu. Die betroffene Person weiß daher nichts davon. Dafür wird ein bestimmtes Programm auf das gewünschte Endgerät geladen, welches die benötigten Informationen an das BKA weiterleitet. Das Programm kann entweder von einem verdeckten Ermittler mittels physischen Eingriffs oder durch „hacking“ (z.B. durch einen Trojaner) auf dem Gerät installiert werden. Das Programm wird dabei durch das technische Eindringen in das Endgerät unter Ausnutzung von Sicherheitslücken installiert. Es wird zwischen zwei Varianten des heimlichen Vorgehens unterschieden.

Handyüberwachung „Quellen TKÜ“ – Verkehrsdaten und Inhalte von Kommunikation 

Die erste Variante ist die sog. „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ (Q-TKÜ). Diese ist gesetzlich in § 100a StPO verankert und darf nur geschehen, wenn gewisse Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Person eine schwere Straftat, wie z.B. Raub, Mord oder Betäubungsmittelhandel, begangen hat oder die Erforschung des Sachverhaltes ohne die Überwachung wesentlich erschwert wäre. Bei der Quellen-Kommunikationsüberwachung werden vom Telekommunikationsanbieter bestimmt Daten an die Polizei weitergegeben.

Welche Daten werden bei der Telefonüberwachung im Rahmen der Quellen TKÜ weitergegeben?

Bei einer Quellen TKÜ werden die Inhalte von Telefongespräche und SMS an die Polizei weitergeleitet. Zudem wird mitgeteilt, welche IMEI (Registriernummer des Telefons) verwendet wird und in welcher Funkzelle sich das Telefon registriert hat. Als erfahrene Anwälte für das Strafrecht wissen wir, dass die Übertragung auch in Echtzeit, also Live, stattfinden kann und die Polizei sofort auf manche Nachrichten reagiert. Sie kann bei einem Einbruchsversuch zum Beispiel einen Streifenwagen losschicken der „zufällig“ kontrolliert, was vor Ort los ist.

WhatsApp-Nachrichten und anderen Internetverkehr kann die Polizei so nicht mitlesen.

Kann die Polizei auch alte Gespräche abhören?

Die Daten einer Quellen TKÜ werden erst für die Zukunft und nach einem richterlichen Beschluss durch den Anbieter weitergeleitet. „Alte Gespräche“, in dem Sinne von Gesprächen vor dem beschluss, dürfen die Anbieter weder aufzeichnen noch weitergeben. Ein erfahrener Strafverteidiger wird prüfen, ob diese richterlichen Beschlüsse zu Recht ergangen sind.

Kann die Polizei mit Verkehrsdaten herausfinden, wo ich war? (Vorratsdatenspeicherung) 

Im Rahmen der sogenannten Vorratsdatenspeicherung sind die Anbieter von Telekommunikation verpflichtet, bestimmte Daten auf Vorrat, also unabhängig von einem richterlichen Beschluss oder einem Ermittlungsverfahren, zu speichern.

Standortdaten, also Daten in welcher Funkzelle sich ein Handy aufgehalten hat, sind vier Wochen lang zu speichern. Wenn die Polizei also nach einer Tat herausfinden will, welche Telefone sich in der Nähe des Tatorts befunden haben, wird sie dies in der Regel mit diesen Daten herausfinden können.

Sogenannte „Verkehrsdaten“ sind 10 Woche zu speichern. Dies beinhaltet Daten wer wen angerufen hat und wer wem eine SMS geschickt hat. Auch die Nutzung einer Internetverbindung wird gespeichert. Wenn die Polizei also wissen will, ob vor oder nach einer Tat von einer bestimmten Nummer telefoniert wurde, wird sie dies herausfinden. Auch welches Telefon dabei benutzt wurde, wird festzustellen sein. 

Kann die Polizei meine IMEI Herausfinden?

In den meisten Fällen schon. Die IMEI ist die individuelle Nummer eines Telefons, mit ihr ist das Telefon eindeutig zu intentifizieren. Wenn das Telefon beschlagnahmt oder sichergestellt wird, wird die Polizei dies herausfinden. Hersteller und Telekommunikationsanbieter speichern zum Teil sehr lange, welche Telefonnummer mit welcher IMEI verknüpft war oder ist oder welches Telefon an wen verkauft wurde.

Heimliche Durchsuchung „Staatstrojaner“ 

Die zweite Variante ist die „Online-Durchsuchung“, welche in § 100b StPO geregelt ist. Im Unterschied zur Quellen-TKÜ wird hierbei nicht nur die Telekommunikation überwacht, sondern es werden sämtliche Informationen aus den Systemen der Person, z.B. der Festplatte und dem Speicher, durchsucht und übertragen. Die Polizei darf jedoch weder Mikrofone noch Kameras der Geräte selbst anschalten und Ton- und Bildsignale erfassen. Aufgrund des schwerwiegenderen Eingriffs in die Rechte des betroffenen stellt das Gesetz auch höhere Anforderungen an die Online-Durchsuchung.

Bisher werden die sog. „Bundestrojaner“ jedoch hauptsächlich vom BKA zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt. Doch selbst dort wurden in den 2019 neu eingeleiteten 550 Terrorismusverfahren in keinem einzigen die Online-Durchsuchung beantragt. Das liege daran, dass der Arbeitsaufwand für den Einsatz eines Trojaners technisch und juristisch immens groß sei. Auf diesen Zustand sollte sich niemand dauerhaft verlassen.

Kann die Polizei meinen Standort sehen?

Ja, die Polizei kann den Standort von Smartphones herausfinden. Das geschieht über die sog. „stille SMS“. Dabei wird von der Polizei eine SMS an das betreffende Smartphone gesendet, wodurch die Polizei die dadurch anfallenden Verbindungsdaten auswerten und einer bestimmten Funkzelle zuordnen kann. Dadurch kann die Polizei dann grob den Standort bestimmen. Besonders bei der stillen SMS ist, dass sie weder auf dem Bildschirm angezeigt wird noch ein akustisches Signal auslöst. Folglich merkt der Empfänger nichts von der SMS und der Ortung seiner Position. Die stille SMS darf jedoch nur bei dem Verdacht der Begehung einer Straftat von erheblicher Bedeutung versandt werden, wie § 100i StPO regelt.

Kann die Polizei gelöschte Nachrichten wiederherstellen?

Ja, die Polizei kann gelöschte Nachrichten und Bilder einsehen, bzw. wiederherstellen. Dafür liest sie die Festplatte, bzw. den Speicher beim Handy, aus und kann dann, insbesondere kürzlich gelöschte, Dateien wiederherstellen und einsehen. Wöllte man bestimmte Dateien endgültig löschen, müsste man das Gerät derart physisch zerstören, dass die Festplatte oder SSD auf jeden Fall auch zerstört ist. Dann wäre ein Auslesen nicht mehr möglich. Feuer soll dafür sehr effektiv sein.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Polizei Nachrichten wiederherstellen und mitlesen.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Polizei Nachrichten wiederherstellen und mitlesen.

Kann „EncroChat“ gelesen werden?

Ja, auch EncroChats können gelesen werden. Bei „EncroChat“ handelte es sich um einen Dienstleister für verschlüsselte Instantmessenger. Das Unternehmen verkaufte modifizierte Smartphones mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und stellte den Nutzern ein Chat-Programm zur Verfügung, mit welchem diese verschlüsselt kommunizieren konnten. Jedoch gelang es französischen und niederländischen Behörden den Server zu übernehmen und ein Update auf über 32.000 Geräte zu laden, wodurch es ihnen möglich war, die Nachrichten unverschlüsselt abzufangen. Besonders die Frage nach der Verwertbarkeit dieser abgefangenen Nachrichten vor deutschen Gerichte wurde viel hinterfragt.

Können EncroChats als Beweis verwendet werden?

Diese Frage ist nicht endgültig geklärt. Das Landgericht Berlin hat mit Beschluss vom 01.07.21 erstmals eine Verwertbarkeit von EncroChats vor deutschen Gerichten verneint. Jedoch haben andere Gerichte, z.B. das OLG Hamburg mit Beschluss vom 29.01.21 und das KG Berlin in der EncroChat-Entscheidung vom 30.08.21, ein Verwertbarkeit der EncroChats vor deutschen Gerichten bejaht. Es ist also sehr gut möglich, dass die Nachrichten als Beweis benutzt werden. In einem solchen Fall kann jedoch ein Strafverteidiger helfen: Dieser kann alles versuchen, die Beweise aus den Chats nicht vor Gericht verwendet werden dürfen.

Wenn das einzige Beweismittel die EncroChat-Nachrichten sind, kann der Strafverteidiger versuchen, die Zuordnung des Chats zum Beschuldigten verhindern.

Können „WhatsApp“-Chats vor Gericht als Beweis verwertet werden?

Bei „WhatsApp“ ist der Fall eindeutig. „WhatsApp“-Nachrichten können problemlos vor Gericht als Beweis genutzt werden. Erfahrene Verteidiger im Strafrecht werden diese Chats aber angreifen und herausstellen, dass der Inhalt falsch interpretiert worden sein muss. Häufig lesen Staatsanwaltschaften und Gerichte nur Polizeizusammenfassungen. Häufig wird dort aus „der Torte“ eine Lieferung Marihuana oder aus gemeinsamen sportlichen Aktivitäten eine kriminelle Bande. Hier hilft ein Verteidiger, der weiß, wie man die Beweiskraft von Chats entkräftet.

Was ist, wenn neben Encro noch weitere Beweise existieren?

Existieren neben den EncroChat-Nachrichten z.B. noch weitere Beweise, reicht die Verhinderung der Verwendung nicht mehr aus. Gelingt die Verhinderung nämlich, sind unter Umständen noch weitere Beweise vorhanden. Aber auch gegen diese kann eine erfahrene Strafverteidigerin oder ein erfahrener Strafverteidiger vorgehen.

Wie ist das bei Encro und Betäubungsmitteln?

In den abgefangenen „EncroChats“ wurden sehr viele Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gefunden. Ein guter Anwalt kennt hier jedoch Mittel und Wege, um den Mandanten auch bei weiteren Beweisen bestens zu verteidigen. 

Zuallererst gilt: Man sollte keine Angaben machen und lieber einen Anwalt kontaktieren!

Von größter Relevanz sind die Menge und Gefährlichkeit der Betäubungsmittel. Dabei kommt es nicht auf das bloße Gewicht, sondern auf den Wirkstoffgehalt an. Bei „geringen Mengen“ kann von der Strafverfolgung abgesehen werden, wenn diese lediglich für den Eigenverbrauch zu sein scheinen. 

Während Cannabisprodukte, wie Haschisch und Marihuana, als „weiche Droge“ bezeichnet werden, werden Heroin und Kokain z.B. als „harte Drogen“ klassifiziert. Daraus folgt eine unterschiedliche „geringe Menge“ und eine unterschiedliche Strafzumessung. Die „Encro-Verfahren“ spielen jedoch häufig im Kilo-Bereich.

Zudem spielt die eigene Abhängigkeit von Betäubungsmitteln oftmals eine große Rolle. So kann gem. § 35 BtMG von einer Strafe abgesehen werden, wenn sich der Betroffene dafür in Therapie begibt. 

Darüber hinaus wird in diesen Verfahren die Akte an die Fahrerlaubnisbehörde weitergegeben, was zu vielen Problemen für die Fahrerlaubnis führen kann: Schnell ist der Führerschein in Gefahr. Um dies zu verhindern, empfiehlt es sich, frühzeitig eine Anwältin oder einen Anwalt aufzusuchen und sich beraten zu lassen.

Sind Sky-Handys sicher?

Sky Global war ein Anbieter für Kryptohandys (in dem Fall „Sky-Handys“) und verschlüsselter Kommunikationsdienste („Sky ECC“). Die Handys waren modifizierte Versionen von z.B. Apple-, Google-, oder Blackberry-Handys und hatten Kameras, Mikrofone und GPS deaktiviert. Nachrichten wurden verschlüsselt und nach 30 Sekunden sogar gelöscht. Ähnlich wie bei EncroChat gelang es, diesmal belgischen, Behörden, auf das Netzwerk zuzugreifen und ungefähr eine Milliarde Nachrichten abzufangen, welche dann entschlüsselt wurden. Im Rahmen der Entschlüsselung wurden ebenfalls viele Beweismittel für Straftaten gefunden. 

Können Sky-Handys als Beweis verwendet werden?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sky-Handys als Beweis vor deutschen Gerichten verwendet werden können. Über die Verwertbarkeit der Beweise von Sky-Handys gibt es bis dato noch keine gefestigte Rechtsprechung. Da die Beweise jedoch unter ähnlichen Bedingungen, wie die EncroChats, erlangt wurden, ist davon auszugehen, dass auch diese vorerst als Beweis vor deutschen Gerichten verwendet werden können.

Daniel Brunkhorst

Daniel Brunkhorst

Fachanwalt für Strafrecht

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Als Fachanwalt für Strafrecht habe ich dank Ausbildung und Erfahrung die Fähigkeiten, die Sie brauchen, wenn es um Ihre Existenz geht. Auch in schwierigen Situationen bin ich der Partner, der Sie unterstützt und die Maßnahmen ergreift, die Sie entlasten.

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